Samstag, 10. Juni 2006
Fussball für nicht interessierte
Tja, gestern war das Eröffnungsspiel der Fussball WM. Einer dieser Tage, die mich spüren lassen, dass ich anders bin als die anderen: Fussball interessiert mich einfach nicht. Ich schaue ungern Sport, lieber mache ich welchen. Naja, gut, eine Weltmeisterschaft interessiert mich dann doch schon.
Ich habe dann also dem Drängen meiner Firma ( nicht so, dass der Chef dann die erste Runde Bier spendiert hätte) und meiner eigenen Neugier nachgegeben und wir sind geschlossen in die Zitadelle Spandau eingefallen . In der Zitadelle gab es dann eine große Leinwand, viele Bierbänke, Essen und Bier. Und jede Menge Fussballfans. Schwarz-rot-gold geschminkt, schwarz-rot-goldene Perücken, schwarz-rot-goldene Tröten, schwarz-rot-goldene Fahnen, T-Shirts der DFB-Auswahl.
Erstmal zum Bierstand, soviel Patriotismus ertrage ich nicht im nüchternen Zustand. Das haben sich wohl auch die Patrioten gedacht, wir warten geschlagene 45 Minuten. Reichlich Zeit für Spandauer, Freunde und Bekannte zu begrüßen. Spandau ist wirklich wie ein Dorf.
Mir tun die Beine jetzt schon weh.
Glücklicherweise finden sich dank der Bekanntschaften auch schnell Plätze auf einer Bierbank. Hinter uns übt man schon heiseres Siegesgebrüll, die Artikulationsfähigkeiten haben schon mächtig eingebüßt ( heee, hooo, Deuschlan!).
Das Spiel beginnt. Plötzlich sieht man im Sitzen nichts mehr, alle die keinen Platz gefunden haben, sind nach vorne gerannt, stehen nun vor der Leinwand und schwenken Fahnen. Also doch wieder stehen. Von hinten kommt es entrüstet: "Nehmt Eure scheiß Fahnen runter, wir sehen nichts"! Ein paar ganz clevere steigen auf die Bierbänke und schauen sich das Spiel von ganz oben an. Nun wird von hinten durchgegriffen! Die Leute werden von der Bierbank sanft von der Bierbank gedrückt, die Fahnenträger zur Ordnung gerufen. Währenddessen fallen zwei Tore.
Ich brauche ein neues Bier. Ich folge dem Geheimtipp meines Kollegen und brauche tatsächlich nur 10 Minuten um ein Helles zu bekommen.
Zurück stelle ich fest, dass sich noch mehr Menschen zwischen die Bierbänke quetschen. Das dritte Tor ist gefallen. Alle feiern den Bildschirm, singen: "Deutschlaaaaaand, Deutschlaaaaaand", Kracher fliegen, Trillerpfeifen malträtieren das Ohr, Signalhörner tröten, die Fahnen versperren wieder die Sicht.
Glauben die wirklich, sie sind im Stadion?
Erste Halbzeit. Mittlerweile tut mir auch der Rücken weh. Stehen war noch nie meine favorisierte Haltung. Ich geh dann mal.
Die U-Bahn ist menschenleer.

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Al Sarkawi ist jetzt tot - es lebe die Demokratie!
Eine frohe Botschaft erreichte uns am Freitag: US-Amerikanische Militärflugzeuge töteten im Irak den gesuchten Widerstandskämpfer Al Sarkawi. Eine frohe Botschaft?
Alle Zeitungen schreiben darüber, wie er gefunden wurde, wie man zwei 500-Pfund-Bomben in das Haus gejagt hat, wo er sich aufhielt, wie das Militär den "Sieg" feierte und sich die Regierungen und Geheimdienste erleichtert gegenseitig auf die Schulter klopften.
Doch nicht ein Wort über Menschenrechte, Bürgerrechte, Demokratieverpflichtungen in den Nachrichten.
Sicherlich war Al Sarkawi kein besonders netter Mensch, zumindest hat er öffentlich zum Widerstand gegen die amerikanischen Besatzungstruppen aufgerufen. Angeblich hat er sogar eigenhändig einer Geisel den Kopf abgeschlagen. Und vermutlich war er für eine Reihe von Selbstmord-Anschlägen verantwortlich. Für meinen Geschmack ein bisschen zuviel angeblich und vermutlich um einen Menschen einfach so zum Tode zu verurteilen und das Urteil ohne Verfahren zu vollstrecken. Ist das die vielgerühmte Demokratie, die die USA in den Irak bringen will? Sind das die Menschenrechte, die die amerikanische Regierung gebetsmühlenartig proklamiert?
Was mich speziell in diesem Fall so aufregt, ist, dass es vom amerikanischen Militär so inszeniert wird: "Wir haben Al-Sarkawi getötet"! Mit einer Bombe! Von einem Flugzeug aus mehreren Kilometern Entfernung! Ohne den Versuch ihn lebend zu fassen, die Chance einer Verteidigung vor einem unabhängigen Richter!
Nach eigener Aussage wussen die Geheimdienste und das amerikanische Militär ziemlich genau bescheid über den Ort und die Umstände des Treffens von Al Sarkawi mit anderen Mitgliedern der Organisation. Warum versuchte man also keine andere Möglichkeit?
Und wieso regt es niemanden in den Medien auf einen so offensichtlichen Verstoß gegen rechtstaatliche Ideale als Sieg gegen den Terrorismus und weiteren Schritt hin in Richtung Frieden präsentiert zu bekommen? Bomben bringen keinen Frieden, Bomben bringen Leid und Schmerz! Und Furcht und Widerstand. Das nennt man Gewaltherrschaft! Ein trauriger Tag für die Demokratie!

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